Die Herstellung eines Eisenwerkzeugs unterschied sich früher stark von der heutigen Metallbearbeitung. Heute haben wir genau definierte Stahllegierungen, fein abgestimmt auf den jeweiligen Verwendungszweck, zur Verfügung. Den alten Schmieden, von den Anfängen der Eisenverarbeitung bis in die Neuzeit, stand ausschließlich Eisen/Stahl, das in Rennöfen gewonnen wurde, zur Verfügung. Näheres zum Thema Eisenerzeugung im Rennofen hier. Die damals verfügbaren Eisenmaterialien wiesen alle nur erdenklichen Qualitäten auf, vom weichen Schmiedeeisen bis zum härtbaren Stahl. Es gab keine Datenblätter oder chemische Analysen. Das Schmiedematerial war vom Verhüttungsprozess her noch mehr oder weniger verschlackt und porös. Es mußte vor der Verwendung oft mit hohem Aufwand gereinigt und von den Einschlüssen befreit werden. Messer wurden aus unterschiedlichsten Ausgangsmaterialien gefertigt. Dass eine Klinge ganz aus härtbarem Stahl gefertigt wurde, war wohl selten der Fall. Bei antiken Autoren wird Stahl, im Gegensatz zum allgegenwärtigen Eisen, immer als etwas Besonderes hervorgehoben. Härtbarer Stahl war damals sicherlich ein rares, geschätztes und teures Material. Aus diesem Grund setzte man Stahl meist sparsam genau dort ein, wo er von Nutzen war, an der Schneide. So wurden schon in früher Zeit häufig verschiedene Materialien kombiniert, einerseits der Wirtschaftlichkeit wegen, andererseits aber auch, um das bestmögliche Ergebnis aus den verfügbaren Materialien zu erhalten. Viele Messer bestanden aber auch einfach aus weichem Schmiedeeisen. Eine Methode, die Eigenschaften dieses Materials zu verbessern, die wohl bereits in der Antike durchgeführt wurde, ist das Aufkohlen. Da dies allerdings mit viel Aufwand verbunden war und gleichzeitig ein nennenswerter Erfolg der Methode nicht immer gegeben war, wurden bei weitem nicht alle entsprechenden Messer so behandelt.
Um eine tatsächliche Vorstellung mittellalterlicher Messer zu erhalten, bietet es sich an, archäologische Befunde genauer zu betrachten. Ich möchte deshalb hier ganz kurz, aufs Wesentliche zusammengefasst, die Ergebnisse aus verschiedenen metallographischen und chemischen Untersuchungen von Waffen, Messern und Schmiedeabfällen aus dem Bereich Mitteleuropa (nördlich der Alpen) sowie Nord- und Osteuropa wiedergeben. Verschiedenste Untersuchungen dieser Art wurden in den letzten Jahrzehnten publiziert. Die uns hier interessierende Zeitspanne der untersuchten Objekte reicht von der Latènezeit (ca. 450 v. Chr. bis um das Jahr 0) bis zum Ende des Mittelalters (ca. 1500 n. Chr.).
Bereits in der Latènezeit wurden Schwerter wie auch Messer oft aus einem Verbund Eisen–härtbarer Stahl in Lagendamasttechnik gefertigt. Genauso kamen solche vor, die aus einem einzigen Material bestanden, wie beispielsweise aus hartem, phosphorreichen Eisen. Dieses wurde auf die gleiche Weise wie härtbarer Stahl eingesetzt. In der Spätlatènezeit kamen Schwerter, die in Streifendamasttechnik verschweißt wurden, hinzu. Es wurde oft eine Mischung aus Eisen, härtbarem Stahl und phosphorreichem Eisen verwendet, um ein möglichst optimales Ergebnis zu erhalten. Es kamen Waffen und Messer mit gehärteten Klingen oder Schneiden und solche mit relativ weichen Klingen vor. Für die anschließende römische Zeit ergaben die Untersuchungen für die genannten Regionen in etwa das gleiche Bild. In der Spätantike kam die Torsionsdamasttechnik auf, die im Frühmittelalter ihren Höhepunkt erlebte (die bekannten wurmbunten Klingen), im Hochmittelalter aber wieder weitgehend verschwand. Auch im Frühmittelalter variiert die Fundbreite stark. Neben Messern aus weichem Schmiedeeisen wurden auch aufgekohlte Eisenmesser gefunden, zum Teil nur mit Aufkohlungsspuren, ohne dass ein wirklicher Erfolg der Prozedur messbar gewesen wäre. Auch Klingen aus mehreren Lagen unterschiedlichen Materials gehören zum Fundspektrum, so z. B. Klingen mit horizontal verschweißter Stahl- und Eisenlage oder Klingen aus 3 Lagenstahl, mit harter Mittellage und zwei Eisenlagen. Es kamen aber auch Klingen mit Stahleinlagen nur im Schneidenbereich vor, d. h., die Stahlschicht geht nicht bis zum Klingenrücken durch, sondern beschränkt sich auf den Schneidenbereich bis maximal zur Klingenmitte. Auch aufwändig gefertigte Klingen aus mehreren horizontal verschweißten Eisenbändern im Rückenbereich und Stahl (zum Teil wiederum aus mehreren vertikal verschweißten Stahlbändern bestehend) im Schneidenbereich wurden gefunden. Auch waren verdrillte oder durch Torsion entstandene Muster in der Klinge in dieser Zeit offenbar verbreitet und begehrt. Die Zeit dieser aufwändig gefertigten Messer erreichte wohl gegen Ende des Frühmittelalters (10./11. Jahrhundert) einen Höhepunkt und nahm danach scheinbar wieder ab. Im Fundspektrum tauchen ab dem Hochmittelalter kaum mehr diese reich verzierten Torsionsdamastklingen auf. Dafür treten wieder vermehrt Eisenklingen mit einfacher Stahleinlage in der Schneide, aber auch immer noch reine Eisenklingen auf.
Zum Thema Klingenform ist eigentlich nur zu sagen, dass im Prinzip sämtliche heute noch bekannten und gängigen Formen bereits in der Antike und im Frühmittelalter bekannt und mehr oder weniger verbreitet waren. Einige Formen tauchen zwar vereinzelt im archäologischen Fundgut auf, bleiben aber Exoten, so wie beispielsweise selbst die Bowiemesserform im mittelalterlichen Fundkomplex vorkommt. Es gab natürlich durchaus zeitliche und räumliche Vorlieben in Bezug auf die Messerformen, die sich auch im Fundmaterial widerspiegeln. Von größerem Interesse ist hierbei vielleicht einzig die Tatsache, dass bis ins Spätmittelalter die Griffangelmesser (Steckerl) bei weitem die Mehrheit aller gefertigten Messer ausmachten. Griffzungenmesser, auch als „Full-Tang-Messer“ (Vollerl-Messer) bekannt, waren zwar an sich nicht unbekannt, blieben aber bis zum Spätmittelalter exotische Ausnahmen. Wenn ich mir vorstelle, wie hart das Leben in früheren Zeiten gewesen sein mag, zu Zeiten, als ein Messer noch wirklich im täglichen Einsatz lebenswichtig und von essenzieller Bedeutung war, wundere ich mich immer wieder, wenn heute Leute behaupten, nur ein Full-Tang-Messer würde dem ernsthaften Gebrauch standhalten.